2011 in review

Die WordPress.com Statistikelfen fertigten einen Jahresbericht dieses Blogs für das Jahr 2011 an.

Hier ist eine Zusammenfassung:

Eine Cable Car in San Francisco faßt 60 Personen. Dieses Blog wurde in 2011 etwa 2.900 mal besucht. Eine Cable Car würde etwa 48 Fahrten benötigen um alle Besucher dieses Blogs zu transportieren.

Klicke hier um den vollständigen Bericht zu sehen.

Außerordentliche Verdachtskündigung – Abwarten und mehrfach kündigen!

In seinem Urteil vom 27.01.2011 (2 AZR 825/09) hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass eine mehrfache Verdachtskündigung bei ein und derselben Tat möglich ist. Der Arbeitgeber kann danach erneut kündigen, wenn er neue, den Verdacht der Tatbegehung verstärkende Tatsachen zum Anlass einer weiteren Kündigung nimmt. Solche Tatsachen können beispielsweise die Anklageerhebung im Strafverfahren oder das Erlangen neuer Beweismittel sein. Der Verdacht beziehe sich dann zwar auf die gleiche Tat, die zweite Kündigung jedoch auf eine erweiterte und damit neue Tatsachengrundlage, welche  die zwei Wochen Frist des § 626 II BGB erneut in Gang setze.

Für den Arbeitgeber erleichtert diese Rechtsprechung die Fragestellung erheblich welcher Zeitpunkt der richtige für die Aussprache einer Verdachtskündigung ist. Im Zweifel spricht nun alles für eine frühe Kündigung, da im Laufe des Aufklärungszeitraums weitere Zeitpunkte zu erwarten sind, in denen der Verdacht „dringend genug“ ist, um eine weitere Verdachtskündigung aufgrund der neuen Tatsachen nachzulegen. Auch etwaige Versäumnisse bei der Einhaltung der Frist des § 626 II BGB können eine spätere zweite Kündigung motivieren, da die Frist mit Kenntnis der neuen verdachtsverstärkenden Tatsachen erneut zu laufen beginnt.

Erweist sich der Tatverdacht übrigens als berechtigt, ist die Verdachtskündigung nicht etwa deshalb unwirksam. Eine Tatkündigung ist nicht parallel erforderlich.

Kommentar zum neuen Befristungsrecht (FAZ)

Einen ganz lesenswerten Kommentar zum neuen Befristungsrecht finden Sie hier: FAZ Kommentar

Was heißt eigentlich „zuvor“ ? – BAG ändert Rechtsprechung zum Befristungsrecht

Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist nach § 14 II 1 TzBfG ohne Sachgrund bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Nicht zulässig ist eine sachgrundlose Befristung nach § 14 II 2 TzBfG, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.
Bisher war für die Rechtsprechung klar, was das bedeutet: Nur einmal im Leben darf man bei dem selben Arbeitgeber ohne einen sachlichen Grund befristet beschäftigt werden. Danach bedarf es bei einer erneuten Einstellung eines sachlichen Grundes für die Befristung. Andernfalls ist die Befristungsabrede unwirksam und es wird ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet.

Arbeitgeber haben den Sinn und Zweck dieser weitreichenden Regelung seit ihrem Bestehen noch nie wirklich verstanden. Probleme machte aber insbesondere die praktische Handhabung. Wer sollte schließlich erkennen, ob ein zur befristeten Einstellung vorgesehener Bewerber vor 30 Jahren zuvor als Aushilfe befristet beschäftigt wurde. Und wenn es tatsächlich so war, warum darf der Mensch heute nicht zwei Jahre befristet z.B. als Controller arbeiten ?

Das hat das BAG jetzt offensichtlich ebenso gesehen und das Wort „zuvor“ in seiner Entscheidung vom Urteil vom 6. April 2011 – 7 AZR 716/09 – neu definiert. Danach steht einer befristeten Einstellung ohne Sachgrund eine frühere Beschäftigung eines Arbeitnehmers dann nicht entgegen, wenn diese mehr als drei Jahre zurück liegt. Liegen also zwischen dem Ende des früheren Arbeitsverhältnisses und dem Beginn des neuen mehr als drei Jahre, kann erneut ohne Sachgrund befristet werden. Es liegt dann keine „Zuvor-Beschäftigung“ vor.

Diese neue Rechtsprechung ist sicherlich in ihren praktischen Konsequenzen zu begrüßen. Arbeitgeber müssen nur einen Zeitraum von drei Jahren rückwirkend prüfen. Arbeitnehmer werden nicht durch Beschäftigungen in der Vergangenheit an neuen befristeten Einstellungen gehindert.

Sinn macht diese Entscheidung. Nur was hat das noch mit Rechtsanwendung zu tun ? Hier wäre der Gesetzgeber gefragt gewesen.

Nun gut, machen wir es nicht zu kompliziert: „Zuvor“ meint also ab sofort in den letzten drei Jahren. Damit kann man arbeiten. Vielleicht entscheidet das BAG ja auch noch, dass ein Aushilfsvertrag von  wenigen Wochen kein Arbeitsvertrag ist. Würde doch Sinn machen…

Kündigung – Klagefrist – Kündigungsschutzklage – was tun ?

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam.

So wörtlich geregelt in den §§ 4  und 7 des Kündigungsschutzgesetzes. Damit ist für den von  einer Kündigung betroffenen Arbeitnehmer die zu treffende Entscheidung klar definiert. Entweder innerhalb von drei Wochen klagen oder die Kündigung ist akzeptiert. Danach ist nichts mehr zu holen.

In den meisten Fällen wird es die richtige Entscheidung sein, eine Kündigungsschutzklage zu erheben. Alleine die zahlreichen formellen Fallstricke, über die ein Arbeitgeber bei dem Ausspruch einer Kündigung stolpern kann, begründen für Ihn stets ein Prozessrisiko und rechtfertigen oft schon allein die Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Viele Verfahren vor dem Arbeitsgericht werden durch einem Vergleichsvertrag  erledigt. Typische Regelungen eines Vergleichs sind zum Beispiel die Zahlung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses,  die bezahlte Freistellung bis zum Ausscheiden und die Erteilung eines guten Arbeitszeugnisses.

Dem betroffenen Arbeitnehmer kann nur geraten werden, die Entscheidung  über den Umgang mit der Kündigung sehr gewissenhaft zu treffen. Oftmals keine leichte Situation unter dem Schock einer Kündigung. Zumindest eine anwaltliche Erstberatung zur Einschätzung der Rechtslage und der Erfolgsaussichten ist zwingend zu empfehlen. Gerichtskosten sind beim Arbeitsgericht in erster Instanz übrigens  vergleichsweise gering. Die Kosten für den Rechtsanwalt trägt jede Seite selbst.  Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens.

Pauschalabgeltung von Überstunden – geht das ?

Immer wieder tauchen in Arbeitsverträgen derartige Klauseln auf:

Mit der vorstehenden monatlichen Vergütung sind alle erforderlichen Überstunden des Arbeitnehmers mit abgegolten“.

In seinem Urteil vom 1.9.2010 (5 AZR 517/09) hat das BAG klargestellt, dass derartige Klauseln dann unwirksam sind, wenn sich der Umfang der ohne zusätzliche Vergütung zu leistenden Arbeit nicht deutlich aus dem Arbeitsvertrag ergibt. Der Arbeitnehmer muss nach dem BAG im Arbeitsvertrag erkennen können, auf was er sich konkret einlässt und wie viele Überstunden maximal von ihm verlangt werden können. Ist dies nicht der Fall, ist die Klausel in einem Formulararbeitsvertrag mangels Transparenz unwirksam. Rechtsfolge ist dann die Vergütung aller geleisteten Überstunden entsprechend § 612 BGB.

Im Rahmen der Vertragsgestaltung und -verhandlung ist es somit ratsam, eine hinreichend transparente Regelung zu vereinbaren. So könnte z.B. die Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers im Hinblick auf den Umfang der Überstunden begrenzt werden. Mindestens sollte aus dem Arbeitsvertrag die Einhaltung der zulässigen Höchstarbeitszeit nach § 3 des Arbeitszeitgesetzes als Obergrenze ausdrücklich hervorgehen. Selbstverständlich ist die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes selbst für das BAG in einer sehr realistischen Einschätzung der betrieblichen Wirklichkeit offensichtlich nicht mehr.

Schadensersatz bei unterbliebener Zielvereinbarung ?

Hat der Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag einen Anspruch auf einen variablen Gehaltsbestandteil, der von der Erreichung zu vereinbarender Ziele abhängig ist, und kommt eine Zielvereinbarung nicht zustande, ist der Arbeitgeber nach Ablauf der Zielperiode gemäß § 280 Abs. 1, Abs. 3, § 283 Satz 1, § 252 BGB verpflichtet, dem Arbeitnehmer wegen der entgangenen Vergütung Schadensersatz zu leisten, wenn er das Nichtzustandekommen der Zielvereinbarung zu vertreten hat (BAG – 10 AZR 889/07).
Der Arbeitgebers hat die Pflicht, mit dem Arbeitnehmer über die in der jeweiligen Periode zu erreichenden Ziele zu verhandeln. Dabei muss er Ziele vorschlagen, die der Arbeitnehmer erreichen kann. Grundsätzlich obliegt es dem Arbeitgeber, die Initiative zum Abschluss einer Zielvereinbarung zu ergreifen und ein konkretes Angebot vorzulegen, sofern nicht abweichend im Arbeitsvertrag geregelt. Bei der Ermittlung der Höhe des Schadensersatzes ist zunächst die für die maximale Zielerreichung zugesagte variable Vergütung die Grundlage. Das BAG geht grundsätzlich davon aus, dass der Arbeitnehmer die Ziele erreicht hätte. Nur wenn der Arbeitgeber besondere Umstände darlegt, welche diese Annahme ausschließen, ist ein geringerer Schadensersatz die Rechtsfolge. Trifft auch den Arbeitnehmer ein Verschulden daran, dass eine Zielvereinbarung unterblieben ist, ist dieses Mitverschulden des Arbeitnehmers nach § 254 BGB bei der Höhe des Schadensersatzes angemessen zu berücksichtigen. Durch grundlose Verweigerung erreicht der Arbeitnehmer somit nichts.

Zusammenfassend wird klar, dass insbesondere die Arbeitgeberseite einen sauberen Prozess der Zielvereinbarung implementieren muss, um die rechtzeitige Vereinbarung von Zielen sicherzustellen. Dies gilt insbesondere auch bei Freistellungen nach erfolgten Kündigungen! Grade hier wird der Abschluss der Zielvereinbarung gerne vergessen. In Aufhebungsverträgen mit Freistellungsklausel sollte die variable Vergütung geregelt werden um anschließende Streitigkeiten zu vermeiden.

Vertragsstrafe im Arbeitsvertrag wirksam ?

Oftmals sehen Arbeitsverträge Vertragsstrafen für den Fall vor, dass sich der Arbeitnehmer vorzeitig vertragswidrig aus dem Vertrag löst. So zum Beispiel für den Fall, dass der Arbeitnehmer seinen neuen Arbeitsplatz erst gar nicht antritt.

Sind derartige Vertragsstrafen zulässig ?

Grundsätzlich sind Vertragsstrafen im Formulararbeitsverträgen möglich. Allerdings legt die Rechtsprechung einen sehr engen Prüfungsmaßstab an die Wirksamkeit solcher Vertragsstrafen zum Schutze des Arbeitnehmers. Entscheidend ist hier unter anderem die Höhe der Vertragsstrafe. So ist nach dem BAG eine Vertragsstrafe, die höher ist als die Arbeitsvergütung, die für die Zeit zwischen einer vorzeitigen tatsächlichen Beendigung und dem rechtlich zulässigen Beendigungszeitpunkt zu zahlen wäre, regelmäßig nicht angemessen und wirksam.
So urteilte das BAG am 23. September 2010 (-8 AZR 897/08 -), dass eine Vertragsstrafe in Höhe eines Monatsverdienstes unwirksam ist, wenn der Arbeitnehmer sein während der Probezeit mit zweiwöchiger Kündigungsfrist kündbares Arbeitsverhältnis vorzeitig vertragswidrig beendet. Die vereinbarte Vertragsstrafe (1 Monatsgehalt) übersteigt hier den Wert der Arbeitsleistung für die einzuhaltende Kündigungsfrist (2 Wochen) und ist daher unangemessen. Zulässig wäre also höchstens ein halbes Monatsgehalt gewesen, liegt nicht ausnahmsweise ein ganz besonderes Bindungsinteresse vor.
Interessant an dieser Entscheidung ist insbesondere, dass die Nichtigkeit der Vertragsstrafenabrede durch die kurze Probezeitfrist später nicht geheilt wird, wenn die Kündigungsfristen  aufgrund längerer Betriebszugehörigkeit länger werden (z.B. 6 Wochen im Verhältnis zu einem Monatsgehalt). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Wirksamkeit der Klausel ist der Vertragsschluss. Die Klausel ist und bleibt nichtig. Geltungserhaltende Reduktion oder ergänzende Vertragsauslegung rettet die Klausel in diesem Fall nicht.

Vor Unterzeichnung eines Arbeitsvertrags mit Vertragsstrafenabrede sollte deren Rechtmäßigkeit also dringend geprüft werden.

Nichteinhaltung der Kündigungsfrist – Kündigungsschutzklage

Kündigung mit falscher Frist durch den Arbeitgeber ? KLAGEN !

Bei einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung muss der Arbeitnehmer die Nichteinhaltung der objektiv richtigen Kündigungsfrist innerhalb der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend machen, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als eine solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen lässt. Die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung gilt nach § 7 KSchG als rechtswirksam und beendet das Arbeitsverhältnis zum „falschen“ Termin, wenn die Kündigungsschutzklage nicht binnen drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung erhoben worden ist. (Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 1. September 2010 – 5 AZR 700/09:)

Dienstwagen – Nutzungsausfall und Entzug bei Krankheit

In seinem Urteil vom 14. Dezember 2010 – 9 AZR 631/09 hat sich das Bundesarbeitsgericht mit der Höhe der Nutzungsausfallentschädigung eines auch für private Nutzung überlassenen Dienstwagens befasst:

„Räumt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Recht ein, den überlassenen Dienstwagen privat zu nutzen, stellt dies einen geldwerten Vorteil und Sachbezug dar. Der Arbeitnehmer kann nach § 275 Abs. 1 iVm. § 280 Abs. 1 Satz 1, § 283 Satz 1 BGB Nutzungsausfallentschädigung in Höhe der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit verlangen, wenn ihm der Arbeitgeber das Fahrzeug vertragswidrig entzieht.“

Für den Arbeitnehmer ist diese Regelung vergleichsweise ungünstig. Die Kosten für einen Leihwagen gleicher Klasse lägen selbstverständlich höher. Dennoch ist diese Ansicht konsequent. Für den Arbeitnehmer verkehrt sich in dieser Konstellation die großzügige steuerliche Regelung in ihr Gegenteil.

Weiter stellte das BAG fest, dass die Gebrauchsüberlassung eines Pkw zur privaten Nutzung eine zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung ist. Sie ist steuer- und abgabenpflichtiger Teil des geschuldeten Arbeitsentgelts und damit Teil der Arbeitsvergütung. Damit ist sie regelmäßig nur so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber überhaupt Arbeitsentgelt schuldet. Das ist für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, für die keine Entgeltfortzahlungspflicht mehr nach § 3 Abs. 1 EFZG besteht, nicht der Fall.

Bei Abschluss eines Arbeitsvertrags sollte auf diesen Punkt geachtet und nach Möglichkeit verhandelt werden. Ansonsten droht bei langer Krankheit mit Beendigung der Entgeltfortzahlung der Entzug des Dienstwagens. Viele Führungskräfte erhalten übrigens vertraglich deutlich länger Entgeltfortzahlung als nach dem Gesetz vorgesehen.